2024: Das Sanitary Pad Program in Meranding

Durchführung des "Sanitary Pad Programs" in Meranding / Nepal

Meranding ist ca. 2 km Luftlinie, aber von einem tiefen Tal getrennt von dem Dorf Kerung entfernt, in dem wir im Jahr 2022 das erste Mal ein Sanitary Pad Programm im District Salleri in der Region Lower Solu Khumbu (südlich der Everest-Region gelegen) durchgeführt haben. Nach dem überwältigenden Erfolg in Necha, einem abseits aller Hauptverbindungsstraßen gelegenen Dorf in der gleichen Region im Jahr 2023 haben wir jetzt ein weiteres Dorf in der Nähe ausgewählt, um in dieser Region eine Art Keimzelle für die Ideen, die hinter dem Programm stecken, zu bilden.

Auch dieses Dorf liegt weit abseits der Hauptstraßen und ist nur über abenteuerliche Jeep-Pisten erreichbar. Ca. 2 Stunden braucht man mit einem allradgetriebenen Fahrzeug bei guten Wetterbedingungen von der Distrikthauptstadt Salleri, mehr als 12 Stunden von Nepals Hauptstadt Kathmandu.
 
Wie in Kerung gehören die Einwohner von Meranding zur Volksgruppe der Magar, einer eher weltoffenen und toleranten Ethnie. Wenn man mit den Dorfvorstehern und dem Schulleiter spricht, bestehe hier kein ausgeprägtes Menstruationstabu und die Praxis des Chhaupadi sei weitgehend verschwunden. Natürlich wird diese menschenverachtende und mittlerweile offiziell verbotene Gepflogenheit nicht gerne zugegeben, und so erfährt man hinter vorgehaltener Hand von älteren Frauen, aber auch jungen Mädchen ganz andere Geschichten. 

Ein Hinweis, wie schlecht es um sexuelle Aufklärung und das Selbstbewusstsein von Mädchen in diesem Dorf bestellt ist, lieferte uns ein tragischer Vorfall im Jahr 2016. Die damals 16-jährige Tochter eines Freundes und Trekkingführers wurde ungewollt schwanger und empfand ihre Lage als so aussichtslos, dass sie sich das Leben nahm.

Grund genug, hier aktiv zu werden. 

Über unsere Bekannten und Freunde kam schnell der Kontakt zum Leiter der ortsansässigen "Lower Secondary School" zustande. Er war von der Idee spontan begeistert und erklärte sich bereit, die ganze Schulgemeinde zusammen zu trommeln, obwohl zu dem geplanten Veranstaltungstermin noch Schulferien waren. Die Schule bietet Unterricht von der 5. bis zur 10. Klasse, ca. 50 Mädchen im relevanten Alter gehen hier zur Schule, ca. 80 Mütter, Tanten und älteren Schwestern der Schülerinnen meldeten ebenfalls Interesse an dem Programm an.

Von den Spendengeldern von "Goethe hilft mit e.V." bestellten wir also 150 der von Local Women's Handicrafts produzierten Hygiene-Sets. Ritu Shresta, eine ausgebildete Krankenschwester, deren Mutter Bhubaneswori Shrestha und Chandeni, eine 16-jährige junge Frau, die langsam in die Geschäftsführung der Non-Profit-Firma hineinwachsen soll, brachten die Sets von Kathmandu mit und führten gemeinsam die Schulung durch. 

Am Ende der ca. 3-stündigen Schulung wurden die Hygiene-Sets den Schülerinnnen sowie deren Lehrerinnen, Müttern, Tanten und älteren Schwestern übergeben. Wir konnten dieser Aktion im Anschluss an unsere Trekkingtour im März und April 2024 beiwohnen und uns von der Qualität der Schulung überzeugen.

Ein Erlebnisbericht in Bildern:
von Simone Vondung und Dietmar Heimann

Die Vorbereitungen
Wir hatten unsere mehr als 2-wöchige Trekkingtour gerade abgeschlossen und waren am 5. April das erste Mal wieder in einem Ort, in dem wir Internet und Telefonverbindung hatten. Gespannt kontrollierten wir unsere Nachrichteneingänge, ob sich irgend etwas an unserer Planung geändert habe. Wir hatten alles ziemlich "spitz auf Knopf" geplant und wollten uns am 7. April auf halber Strecke mit dem aus Kathmandu anreisenden Team von Local Women's Handicrafts treffen. Wir waren zwar schon ganz in der Nähe von Meranding, aber eine direkte Straßenverbindung zwischen dem Endpunkt unserer Wanderung und diesem Veranstaltungsort gab es nicht und die Straßenverhältnisse sind derart unberechenbar, dass wir froh waren, einen Tag früher am Treffpunkt sein zu können. Sofort riefen wir deshalb in Kathmandu an und mit bemerkenswerter Flexibilität konnte auch das Team einen Tag vorher anreisen.

Den zusätzlichen Tag wollten wir für eine ausführliche Vorbesprechung mit dem Team nutzen. Die frühe Ankunft in Meranding würde uns die Möglichkeit eröffnen, mit dem Schuldirektor die Schule zu besichtigen und alle erforderlichen Details der Veranstaltung zu besprechen.

Am 6. April kommen wir nach einer fast 10-stündigen Jeepfahrt gemeinsam in Pattale an und haben gerade noch Zeit für einen abendlichen Spaziergang.
Die Damen vom Team stammen aus Kathmandu bzw. dem Terai und sind das erste Mal so hoch in den Bergen. Besonders die 16-jährige Chandeni ist überrascht angesichts des doch eher bescheidenen Angebotes an urbanen Freizeitaktivitäten.
 Die Anfahrt nach Meranding
Nach einer weiteren kleinen Wanderung zu einem nahegelegenen Aussichtspunkt kehren wir am späten Vormittag  des nächsten Tages zu unserer Unterkunft zurück, wo sich uns ein erschreckendes Bild darbietet.
Dicke Rauchschwaden quellen aus einem Waldstück nahe unserem Zieldorf und immer wieder brechen meterhohe Flammen durch den Rauch. Es ist nicht schwer, sich auszumalen, was das in einem Land bedeutet, wo es weder Löschflugzeuge noch irgendeine Art von Feuerwehr gibt. Wir sind sehr besorgt und treten ängstlich die Fahrt in das Dorf an.

Je näher wir dem Dorf kommen, umso bedrohlicher erscheint uns die Lage. Der ganze Hang brennt an verschiedenen Stellen über viele Quadratkilometer. Weit oben in den Berghängen stehen vereinzelte Häuser, die bereits von dichten Rauchschwaden eingehüllt werden.

Die meisten Menschen, an denen wir vorbei fahren, scheinen aber merkwürdig unbeteiligt, fast teilnahmslos, allenfalls von einer gewissen Neugier erfasst. Einige haben sich mit vielen Taschen und Tüten sowie ein paar Haustieren an den Fluss begeben, sie haben wohl ihre Häuser sicherheitshalber verlassen und nur die nötigsten Sachen hierher gebracht. Sie scheinen aber guter Dinge und scherzen miteinander, ist das als Galgenhumor zu werten? 
Schließlich kommen wir in dem Dorf an und beziehen zunächst einmal unsere Unterkunft im Haus des Schuldirektors Hari Khadka. Von ihm werden wir herzlich begrüßt und gleich zu einer Schulbesichtigung geleitet. Die Schule wurde nach dem Erdbeben von 2015 wieder auf den gleichen Grundmauern aufgebaut, ein weiteres Gebäude wurde zusätzlich errichtet.
Der Hari Khadka schließt uns den ersten Raum auf und zeigt uns das Lehrerzimmer
Dann gehen wir in ein Klassenzimmer, und obwohl wir schon viel Tristesse an nepalischen Dorfschulen gesehen haben, beklemmt uns dieser Anblick wieder aufs Neue.
Dann besichtigen wir die Bibliothek.....
... und anschleißend die beiden Highlights der Schule, den Computerraum, in dem die Schüler angeblich täglich eine Stunde verbringen, und den Science-Room, zu dessen Nutzung der Direktor keine Angaben macht.
Anschließend besichtigen wir noch den Health Post, der in einem ehemaligen Schulgebäude untergebracht ist. Die Ausstattung ist äußerst dürftig und erfüllt nicht einmal die Minimalstandards einer grundlegenden Gesundheitsversorgung. Früher gab es hier noch ein Geburtshilfestation, aber mangels Fachpersonals musste diese stillgelegt werden, natürlich kann der junge Mann, der heute für den Betrieb der Station zuständig ist, diese Aufgabe nicht übernehmen. Ein Fachkräftemangel besteht zunehmend auch in diesem Land, dessen Bevölkerung im Schnitt wesentlich jünger ist, als die deutsche. Wer es zu etwas bringen möchte, und sei es nur die zuverlässige Ernährung der eigenen Familie, geht zum Arbeiten ins Ausland, vor allem in die arabischen Staaten, aber auch in europäische Staaten wie Rumänien oder Bulgarien.

Die Medikamentenschachteln, die man auf den Bildern sieht, sind übrigens weitgehend leer oder die Präparate längst abgelaufen.
Am Abend drehen wir dann noch ein Runde durch Meranding. Das Dorf liegt über 200 m Höhendifferenz an den terrassierten Hängen verstreut, selbst der Hauptort, in dem wir uns befinden, besteht nur aus wenigen Häusern. Wir empfinden eine gewisse Schwermütigkeit, die Stimmung ist bei Weitem nicht so positiv, wie wir es aus anderen Dörfern kennen, in denen wir stets mit großer Neugierde empfangen wurden. Die nachfolgenden Bilder sollen einen Eindruck von der lähmenden Hoffnungslosigkeit in diesem Dorf vermitteln.

Ein kleiner Junge betrachtet uns mit einer Mischung aus Neugierde und Trauer. Es ist aber bestimmt nicht der Waldbrand, der ihm Sorgen macht......
Selbst die Enkelin des Schuldirektors sprüht nicht gerade vor Lebenslust, und das, obwohl ihr Opa einer der wohlhabensten Männer im Dorf ist. Ihre Mutter wohnt und arbeitet im Haus ihres Großvaters, der Papa aber ist irgendwo ganz weit weg zum Arbeiten....

Ein schönes Sinnbild für die Tristesse, die auch die Kinder erfasst. Ein rührend vergeblicher Veruch, aus Schrott doch noch etwas zu machen....
Das ist das Hauptdorf von Meranding, in dessen Nähe es noch immer lichterloh brennt.
Vom Schulhof aus betrachtet erscheint das Feuer noch immer bedrohlich nahe, ein lautes Knacken und Knallen der explodierenden Nadelbäume erfüllt die Luft. Man beruhigt uns, "it´s only jungle", so die Worte des Direktors.
Letzte Vorbereitungen für das Sanitary Pad Programm und die Durchführung
Um 10 Uhr sollte es losgehen, d.h. zu diesem Zeitpunkt erwarten wir den Großteil der Zuhörerschaft und wollen unbedingt rechtzeitig mit allen Vorbereitungen fertig sein.
Also stehen wir früh auf, besonders Chandeni, die das erste Mal dabei ist und die wir überredet haben, auch einen Teil des Programms zu übernehmen, wird nun etwas nervös. Schnell hat man als Mann hier die Rolle des Gentlemen, und so übernehme ich den Transport von einem der beiden schweren Säcke mit den Hygienesets.
Geschafft, von links nach rechts posieren hier die Enkelin des Schuldirektors Hari Khadka, er selbst, ich selbst, Chandeni, die Tochter des Direktors, Ritus Mutter und Ritu.
 Dann bauen die Damen die Sanitary Pads zu einem beeindruckenden Haufen auf.
Jetzt heißt es nur noch warten, es ist nun schon 10 Uhr, wir waren pünktlich fertig.
Ein paar Jungs hatten die ganze Zeit zugeschaut und sind neugierig auf das Aufklärungsbuch, das wir mitgebracht haben und das nach der Präsentation in die Schulbibliothek aufgenommen werden soll. Chandeni hilft beim Lesen und erklärt Vieles...
 Wir anderen warten......

und warten......

und warten und werden gegen 11 Uhr langsam nun doch alle etwas nervös.....


Aber schließlich kommen die ersten Mädchen und helfen, die Bänke für die Zuschauer zu stellen
Schnell ist dann ein großes Auditorium versammelt, der Direktor eröffnet standesgemäß die Veranstaltung.

Und dann beginnt Ritu mit dem Aufklärungsunterricht mit Hilfe vorbereiteter Schilder und Plakate.
Der Leiter des Health Posts ist ebenfalls anwesend und schreibt interessiert mit.
Ritu stellt dem Auditorium immer wieder Fragen, aber nur wenige Mädchen trauen sich, etwas zu sagen.

Aber dafür gibt es dann kräftigen Applaus von denen, die gerne auch so mutig wären.
 
Andere Mädchen fremdeln noch ein bisschen damit, dieses Tabuthema so offen und klar anzusprechen.
 
An den Enden des Altersspektrums überwiegt der Spaß und die Erleichterung.
 
Nun beginnt der praktische Teil der Schulung, Bhubaneswori Shrestha zeigt, wie die Hygienesets zu verwenden sind.
 
Als Chandeni spricht hat sie die volle Aufmerksamkeit des Publikums. Das hat sie wirklich großartig gemacht..
 
Jetzt müssen die Schülerinnen zeigen, dass sie die Gebrauchsanweisung verstanden haben und das Einknüpfen der Pads beherrschen.
 
Nach und nach erhalten alle ihre Sets und einige suchen sich gezielt ihre Lieblingsfarbe aus.
 
Schließlich halten alle ihr Hygieneset in den Händen und posieren für ein Abschlussfoto. Vorne in der Mitte unser Freund Amrit Magar, der viel zur Organisation und Vorbereitung beigetragen hat, rechts daneben Simone Vondung, die Vorsitzende von Goethe hilft mit e.V.
Fazit und Nachlese
Wir haben den Eindruck, mit dem Sanitary Pad Program diesmal ein Dorf erreicht zu haben, in dem insgesamt eine beklemmende Melancholie und Schicksalsergebenheit vorherrscht. Die Kinder begegneten uns hier mit einer deutlich geringeren Offenheit und Neugier, als wir es in anderen Dörfern erlebt haben. Die Mädchen und jungen Frauen wirkten viel schüchterner und zurückhaltender als anderswo, auch die Englischkenntnisse unter Kindern und Erwachsenen waren bei Weitem nicht so gut, wie in dem benachbarten Kerung und erst recht nicht wie in Necha, in denen wir in den vergangenen Jahren aktiv waren.

Aber die Minen tauten langsam auf und zum Schluss war die Stimmung fast ausgelassen. Mit Sicherheit war es ein außergewöhnlich freudvoller und interessanter Tag für die Menschen in Meranding.

Was haben wir dabei gelernt?
Aufgrund einer Fehlkommunikation zwischen Sahin Pravin, der Leiterin von Local Women´s Handicrafts, dem Schuldirektor Hari Khadka und unserem Vor-Ort-Organisator Amrit Magar wurden diesmal keine Jungs und männliche Lehrkräfte eingeladen, was wir für sehr schade halten. Denn damit wurde natürlich auch ein Teilziel verfehlt, nämlich insbesondere die männliche Bevölkerung dazu zu animieren, die antiquierte Tradition des Chhaupadi zu überwinden. 

Wir müssen also das nächste Mal explizit veranlassen, dass männliche Schüler und Lehrer teilnehmen.

Es ist uns nun schon das zweite Mal aufgefallen, dass die Aufmerksamkeit bei jungen Leuten enorm ansteigt, wenn jüngere Frauen vortragen und von ihren Erfahrungen berichten.

Wir wollen das nächste Mal darauf drängen, dass junge Frauen wie Sahin oder Chandeni die Schulung abhalten.

Ob und inwieweit durch unser nun schon drittes Programm in dieser Region eine Art Netzwerk entstehen kann, müssen wir gespannt abwarten. Die Ziele bleiben:
  • Stärkung des Selbstbewusstseins junger Frauen und Mädchen
  • Verdrängung der menschenverachtenden Tradition des Chhaupadi
  • Verbesserung der Bildungschancen für Mädchen, die sich während ihrer Periode oft nicht in die Schule trauen
  • Vermeidung von Abfall durch das Angebot von Alternativen zu Einmalprodukten
  • Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten mit fairer Bezahlung
Wir wollen weitermachen und brauchen dafür Ihre Unterstützung, finanziell wie tatkräftig.


Ideen? Anregungen? Kritik?
Bitte kontaktieren Sie uns über goethehilftmit@goethe-bensheim.de oder nutzen Sie unser Kontaktformular. Gerne leitet auch das Sekretariat des Goethe Gymnasiums Bensheim Ihre telefonischen Anfragen unter 06251-770630 an uns weiter. 

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BIC:               HELADEF1B EN
Betreff:         
Nepal

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