Seit 2017: Gezielte Förderung von Mädchen und Frauen

Gezielte Förderung von Frauen und Mädchen in Nepal

Die in Nepal lebende buddhistische Nonne Ani Choying Drolma, die durch ihre auf zahlreichen CDs erschienenen Gebetsgesänge weltberühmt geworden ist, hat einmal sinngemäß gesagt: "Bildet man einen Mann, so hilft man einem einzelnen Menschen, bildet man dagegen eine Frau, fördert man eine ganze Familie". Frauenförderung erscheint so von herausragender Bedeutung für die Menschen in Nepal und das Land an sich.

Seitens der nepalischen Regierung ist hier wenig Förderung zu erwarten. Ein Berufschulsystem wie in Deutschland gibt es in Nepal nicht und kann auch langfristig nicht etabliert werden.

Nepals Frauen sind deshalb noch immer stark benachteiligt. Trotz zunehmend liberalisierter Gesetzgebung und einer sich rasant entwickelnden Gesellschaft werden Frauen in Nepal aufgrund tradierter Überzeugungen noch immer häufig unterdrückt und benachteiligt.  Vielerorts

•    müssen sie noch heute während ihrer Menstruation das Haus verlassen,
•    werden sie zwangsverheiratet und
•    gezwungen, ihre Kinder außerhalb der Wohnungen oder Häuser unter erbärmlichen Umständen zur Welt zu bringen.

Dabei bleiben Schulbildung und die Befähigung zu einem wirtschaftlich unabhängigen Dasein auf der Strecke.

In dieser Situation war bis vor wenigen Jahren auch die heute ca. 32 Jahre alte Nasreen Sheikh. Sie stammt aus dem Terai nahe der indischen Grenze, ihr genaues Alter ist unbekannt, da die Geburtsdaten von Mädchen oft gar nicht erfasst werden.
Als auch sie im Mädchenalter zwangsverheiratet werden sollte, ergriff sie die Flucht und zog zu ihrem älteren Bruder nach Kathmandu. Unter dem Schutz und mit Hilfe eines wohlhabenden Amerikaners lernte sie lesen, schreiben und rechnen und erlernte die englische Sprache.

Ihr Bruder, der für eine Textilfabrik arbeitete, brachte ihr das Nähen bei. Dieses Handwerk beherrschte sie bald so gut, dass sie einen eigenen kleinen Laden eröffnen und weitere Frauen, oft alleinstehend und bettelarm, einstellen konnte. Wenig später kam auch Nasreens Schwester Saheen Pravin nach Kathmnandu und unterstützte ihre Schwester bei den vielfältigen Aufgaben. 

Bald entstand eine kleine Fabrik, die Beschäftigung mittelloser Frauen wurde zum Konzept und dem Ganzen schließlich ein Name gegeben, Local Women’s Handicrafts.
 
Im Jahr 2016 haben wir im Rahmen einer Reise die beiden Schwestern in ihrem kleinen Laden kennen gelernt und wurden neugierig.

Bei der anschließenden Besichtigung der etwas außerhalb von Kathmandu gelegenen Werkstätten fiel uns sofort die freundliche und friedliche Atmosphäre in dieser kleinen Produktionsstätte und der kollegiale undfreundschaftliche Umgang der ca. 40 hier arbeitenden Frauen untereinander und gegenüber ihrer Arbeitgeberin auf.
Anlass genug, diese kleine Organisation und deren Aktivitäten näher unter die Lupe zu nehmen:
 Das Konzept von Local Women's Handicrafts

Local Women’s Handicrafts ist ein faires Textil- und Handwerkskollektiv in Kathmandu. Es fokussiert die Stärkung und Ausbildung benachteiligter Frauen mit nachhaltigen Methoden. Alle Produkte werden nach ethischen Grundsätzen erzeugt. Die angestellten Frauen bekommen faire Löhne und arbeiten unter guten Bedingungen. Bei der Produktion werden in großem Umfang Recycling-Materialien bzw. lokale Rohstoffe eingesetzt.

Gegenwärtig arbeiten in der kleinen Fabrik ca. 40 Frauen.

Die Frauen betreiben einen eigenen Garten zum Reis- und Gemüseanbau, halten mehrere Tiere und minimieren so die Kosten für die Ernährung der Arbeiterinnen. Die Fäkalien der Tiere und der Kompost gelangen in eine Biogas-Anlage, die Gas zum Kochen liefert.

Arbeit und Ausbildung mit fairer Bezahlung für Frauen

Frauen in prekären Lebensumständen, d.h. mit 
  • geringer Schulbildung,
  • zahlreichen Kindern,
  • geringem Einkommen des Ehemannes,
  • Alkohol und Gewalt in der Ehe, usw.
werden über mindestens 6 und bis zu 18 Monate in der Herstellung der kunsthandwerklichen Gegenstände ausgebildet und erwerben dabei Fähigkeiten wie Nähen, Weben, Sticken, Stricken, Schmuck anfertigen und Muster schaffen. Zudem erhalten sie eine betriebswirtschaftliche Basisausbildung und bekommen erweiterte Sprachkenntnisse vermittelt. Während des Trainings erhalten sie ein Stipendium.

Nach der Ausbildung können sie je nach Arbeitsplatzverfügbarkeit weiter in dem Betrieb arbeiten oder mit Hilfe ihrer erworbenen Kenntnisse selbst einen kleinen Betrieb oder ein Geschäft aufmachen. 

Chhaupadi und das Sanitary Pad Projekt

Neben der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Frauen von ihren Männern oder ihren Eltern zementiert die traditionell tief verankerte Einstufung von Frauen während Menstruation oder Geburt der Kinder als unrein deren gesellschaftliche Stellung auf einem äußerst niedrigen Niveau.

Dieses als Chhaupadi bezeichnete Menstruationstabu verbietet es Frauen und Mädchen u.a., während der Menstruation an normalen Familienaktivitäten teilzunehmen. Eine besonders problematische Praxis ist es, Frauen und Mädchen während Ihrer Periode in Hütten und Schuppen aus Schlamm oder Stein zu verbannen. Dies führt natürlich zu einer ganzen Reihe von gesundheitlichen Gefahren und Risiken:
  • Die Hütten sind nicht geschützt und ermöglichen das Eindringen von Tieren, weshalb Schlangenbisse besonders in den tiefer gelegenen Regionen zu zahlreichen Todesfällen führen.
  • In den Hütten kommt es auch zu Vergewaltigungen und anderen körperlichen Misshandlungen.
  • Die Hütten sind oft ohne Heizung oder Lüftung, so dass sich die Frauen vor allem im Winter nicht vor den widrigen Witterungsverhältnissen schützen können. Die vielfach betriebenen, offenen Feuerstellen haben schon zu Erstickungen und Kohlenmonoxid-Vergiftungen geführt. Lungenentzündungen sind an der Tagesordnung.
Chhaupadi wird heute hauptsächlich im westlichen und südlichen Teil Nepals praktiziert, aber auch in Städten und selbst Kathmandu. Überraschend für unsere Denkmuster ist, dass diese Praktiken in den besonders traditionell geprägten, höheren Hindu-Kasten fortbestehen

Mit dieser Ausgrenzung geht auch eine Tabuisierung der besonderen Hygienebedarfe einer Frau einher. Aufklärung findet in den meisten Familien nicht statt, und auch in den Schulen machen die Lehrkräfte einen weiten Bogen um das Thema.

Die bei uns verbreiteten Einmal-Slipeinlagen oder Tampons sind in Nepal für den Großteil der Bevölkerung nicht verfügbar. Da zudem die Müllentsorgung allenfalls als rudimentär bezeichnet werden kann, verbietet sich der Einsatz dieser Produkte auch aus ökologischen Gründen

Der Ansatz des Sanitary Pad Projektes von Local Women’s Handicraft

In den Handwerksbetrieben werden schöne, auswaschbare Binden produziert und ein Set von drei dieser Binden zusammen mit zwei Haltevorrichtungen und Höschen, sowie einer “gesellschaftsfähigen” Tasche zusammen gestellt.

Diese werden kostenfrei an ausgewählte Schulen abgegeben. Dazu fahren zwei oder drei speziell dafür ausgebildete Frauen in die Schulen und weisen die Mädchen in fundamentale Hygieneanforderungen und den Gebrauch dieser Binden ein.

Als besonders fortschrittlich empfinden wir dabei, dass auch die Jungs der Klassen bei dieser Einweisung dabei sein dürfen und auch die Eltern und älteren Geschwister der Mädchen eine entsprechende Information und auf Wunsch ebenfalls ein solches Sanitary Pad erhalten.

So wird ein "mental change"-Prozess angestoßen
. Dessen Ziel ist es, Jahrhunderte alte und unter humanitären Gesichtspunkten auch unter größtem Respekt vor kulturellen Besonderheiten nicht mehr vertretbare Gebräuche abzuschaffen, jungen Mädchen und Frauen ihr Selbstbewusstsein zurück zu geben.
Diese Aktivitäten bedürfen der Unterstützung "von außen". Um deren Fortsetzung und weiteren Ausbau zu ermöglichen, kommen folgende Ansätze in Frage:
  • Verkauf der Produkte
Eine Haupteinnahmequelle stellt der Verkauf der erzeugten Produkte dar. Diese werden aus Hanf, Baumwolle sowie verschiedenen Recyclingmaterialien hergestellt, Designs und Muster werden von den Frauen selbst entworfen bzw. mit Hilfe von externen Künstlerinnen und Künstlern erstellt. Die Produkte wurden Im Rahmen der Fairtradewoche des Goethegymnasiums Bensheim 2017 gezeigt.

  • Spenden für die Ausbildung der Frauen
Die Ausbildung kostet für jede Frau ca. 350 € zuzüglich Kost und Logis zu ca. 350 €. Diese Aufwendungen können nicht alleine durch Verkauf der Produkte gedeckt werden und bedürfen zusätzlicher Spendengelder. Da es sich im Kern um Individualförderungen handelt, haben wir uns seitens "Goethe hilft mit e.V." satzungskonform bisher nicht an dieser Förderform beteiligt.

  • Förderung von baulichen Maßnahmen
Was 2016 noch wie ein erfolgversprechender, gleichwohl sehr mutiger Versuch aussah, hat sich mittlerweile in beeindruckendem Ausmaß stabilisiert und weiter entwickelt. So wurde die früher lediglich mit Wellblech überdachte Webhalle mit Seitenwänden ausgestattet. Das Hauptgebäude wurde um ein Stockwerk erweitert, in dem sich jetzt das Trainingscenter und ein Aufenthaltsraum befinden. Außerdem wurde mit dem Bau einer weiteren Produktionsstätte im Terai, Nepals armem Süden, begonnen. All diese Baumaßnahmen wurden aus Spendengeldern finanziert.

Ebenfalls begonnen wurde mit dem Bau von Unterkünften für Frauen, die einen sehr langen und in der Monsunzeit nicht zu bewältigenden Arbeitsweg haben sowie einem Kindergarten, um auch Frauen eine Ausbildung zu ermöglichen, die noch betreuungsbedürftige Kleinkinder haben. Mangels einer gesicherten Finanzierung wurde dieses Vorhaben abgebrochen.
Auf Google Earth lässt sich die Entwicklung von 2013 bis heute gut erkennen:
"Goethe hilft mit e.V." hat sich bezüglich der Unterstützung von Local Womens Handicrafts zweier Themen angenommen:

1. Dem Bau von Unterkünften bei den Werkstätten in Goldhunga bei Kathmandu
2. Der Produkt-Absatzförderung durch Finanzierung von "Sanitary Pad Projekten"
 1. Bau von Unterkünften bei den Werkstätten von Local Women's Handicrafts.

Dieses Teilprojekt wurde abgeschlossen. Dessen Beschreibung finden Sie unter "Abgeschlossene Projekte / Nepal: Gezielte Förderung von Mädchen und Frauen"

Wir danken allen, die mit ihren Spenden zu dieser Maßnahme beigetragen haben.

2. Mittelbereitstellung für das "Sanitary Pad Projekt" von Local Women's Handicrafts.

Im Rahmen dieses Teilprojekts wurde eine erster Durchführung bereits im Jahr 2019 in dem Dorf Bhansar veranlasst. Dessen Beschreibung finden Sie unter "Abgeschlossene Projekte / Nepal: Gezielte Förderung von Mädchen und Frauen"

Eine weitere Durchführung konnten wir im Frühjahr 2022 in dem Dorf Kerung im Lower Solu Khumbu begleiten. Diese Aktion ist nachfolgend beschrieben.
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