2023: Das Sanitary Pad Projekt in Necha

Durchführung des "Sanitary Pad Projekts" im Dorf Necha

Necha ist ca. 20 km Luftlinie von dem Dorf Kerung entfernt, in dem wir im letzten Jahr das Sanitary Pad Projekt durchgeführt haben. Die aus drei Dörfern bestehende Gemeinde hat ungefähr 12.000 Einwohner und gehört ebenfalls noch zu dem District Lower Solu Khumbu (südlich der Everest-Region gelegen). Allerdings liegt es weit abseits der meistens asphaltierten Hauptstraßen und ist nur über abenteuerlich in eine Bergwelt mit unglaublich steilen Bergflanken gebaute Jeeppisten erreichbar. Ca. 5 Stunden braucht man mit einem allradgetriebenen Fahrzeug bei guten Wetterbedingungen von der Distrikthauptstadt Salieri, mehr als 12 Stunden von der Landeshauptstadt Kathmandu.
 
Anders als in Kerung, das von der Volksgruppe der Magar geprägt ist, leben dort Familien, die den Rai und den Brahmanen zuzuordnen sind. Besonders die Brahmanen, die eine der höchsten Kasten in Nepal bilden, gelten als äußerst traditionsbewusst, weshalb man annehmen muss, dass auch das Menstruationstabu und die Praxis des Chhaupadi in diesen Gesellschaften noch weit verbreitet ist.

Auf Initiative eines von dort stammenden jungen Lehrers, den wir im Rahmen unseres Sanitary Pad Projektes 2022 in Kerung kennen gelernt haben, haben wir im Frühjahr 2023 mit den Spendengeldern von "Goethe hilft mit e.V." 350 der von Local Women's Handicrafts produzierten Hygiene-Sets erworben. Die Leiterin des Unternehmens, Sahin Pravin, Amina, eine ausgebildete Krankenschwester, und Krishna, ein erfahrener NGO-Mitarbeiter, haben diese Sets ins Dorf gebracht und gemeinsam die Schulung durchgefüht. 

Am Ende dieser halbtägigen Schulung wurden die Sets den Schülerinnnen sowie deren Lehrerinnen, Müttern, Tanten und älteren Schwestern übergeben.
Im Rahmen meiner Nepalreise im April und Mai 2023 konnte ich dieser Aktion beiwohnen und mich von der Qualität der Schulung überzeugen. 
Ein Erlebnisbericht in Bildern:
von Dietmar Heimann

Die Vorbereitungen
Nach dem Besuch von Sahin Pravin am Goethe Gymnasium Bensheim im Dezember 2022 sind so viele Spenden eingegangen, dass wir ein neues Sanitary Pad Programm in Nepal starten konnten. Wir kontaktierten den Subash Shirish, den jungen Lehrer, der uns bei unserem letzten Programm gebeten hatte, eine derartige Schulung auch an einer der 6 Schulen in seinem Heimatdorf durchzuführen. Er war begeistert und begann sofort mit den Vorbereitungen und der Organisation.

Schnell war ein passender Termin gefunden und mit allen Beteilgten abgestimmt. Das ist in Nepal keine leichte Aufgabe, denn wegen der zahlreichen Volksgruppen in diesem Land finden sehr häufig religiöse Feste statt. Dazu kommen spezielle Feierlichkeiten innerhalb der einzelnen Ethnien, Familienrituale angesichts einer Hochzeit, einer Geburt oder eines Todesfalls. Und dann dürfen natürlich auch keine Schulferien sein und die einzelnen Akteure Zeit haben. Die Wahl fiel auf Montag, den 15.5.2023.
Die Anfahrt nach Necha
Bereits am Samstag, den 13.5.23, einen Tag früher als geplant, weil mein Freund Amrit und ich sehr zeitig von unserer Trekkingtour zurückgekommen waren, holte uns ein Jeep, der von der kommunalen Regierung gestellt wurde, in Salieri, der Distrikthauptstadt, ab. Sehr spät am Tag, so dass wir in der Dunkelheit ankommen würden, aber der Fahrer hatte noch ein Familienritual zu zelebrieren und konnte erst danach starten.

Wie wichtig es war, dass wir einen Fahrer aus der Region von Necha hatten, sollte sich auf der Fahrt herausstellen. Nach den ersten Kilometern entlang der Hauptstraße manövrierte er das Geländefahrzeug virtuos durch ein Geflecht von Schotterpisten, Feldwegen und Lehmpisten in einer Gegend, die sich in ihrer topografischen Struktur jeden Vorstellungsvermögens entzieht. Eng angeschmiegt an steile Felsflanken, vorbei an beklemmenden Erdrutschen aber immer wieder auch durch paradiesische Terrassenfelder. Ein paar Motorradfahrer kämpfen sich mit uns durch Sand, Fels und überflutete Lehmsenken, ansonsten hält sich der Verkehr sehr in Grenzen, zumindest der Motorisierte, irgendwie scheint die Zeit hier stehen geblieben oder aus den Fugen geraten zu sein.
 In der Dunkelheit kommen Amrit und ich an, der Fahrer bringt uns zu dem besten, dem einzigen "Hotel" im Dorf. Ich habe ein - nach dortigen Verhältnissen - schönes Zimmer, das Abendessen einfach, aber lecker. Zum Glück gibt es Dosenbier, eine willkommene Abwechslung zu dem ansonsten allgegenwärtigen Schwarztee. Subash begrüßt uns herzlich, auch er ist froh, dass seine Planungen aufgehen und soweit alles geklappt hat. Morgen will er uns die Gegend und das Dorf zeigen. Er stellt uns einen jungen Lehrer der Schule vor, in der wir übermorgen die Schulung und das Programm durchführen wollen, auch er heißt mit Vornamen Subash, Subash Bhandari.

Hier sieht man Subash Bhandari und Amrit Magar bei einer kurzen Besprechung in unserem "Hotel".
Erkundung des Dorfes und seiner Umgebung
Wir stehen früh auf, denn selbst hier, auf 1.400 m Höhe, verspricht der Tag drückend heiß und schwül zu werden. Subash hat eine Jeepfahrt für uns organisiert, die uns an den tiefsten Punkt im Distrikt Solu Khumbu auf ca. 600 m Höhe führen wird.

Dort angekommen finden wir uns im Paradies wieder. Hier wächst alles, was man sich vorstellen kann, neben Reis und Weizen gibt es Bananen, Mango, Ananas, Tomaten, Pfeffer, Ingwer und die riesige Jackfrucht, deren Fruchtfleisch hierzulande oft als Fleischersatz eingesetzt wird.
  Auch ein kleines Kraftwerk gibt es hier, das aber nur noch selten in Betrieb genommen wird, weil größere Kraftwerke stromaufwärts meistens den Bedarf decken können. Ein Mann bewacht und pflegt das kleine Kraftwerk aber noch immer und nimmt es für mich ca. 10 Minuten in Betrieb.
 Subash kennt einige der Rai-Familien, die hier unten leben, sehr gut, und so können wir deren kleinen Weiler besuchen, Die  Freundlichkeit der Menschen ist anrührend.

Dann fahren wir zurück ins Hauptdorf, die Bilder vermitteln einen Eindruck, wie das Leben hier ist.
Für Jugendliche gibt es hier wenig Vergnügungsmöglichkeiten.....
Die Shree Kedar Secondary School, eine erste Bestandsaufnahme
In dieser Schule gibt es zur Zeit ca. 550 Schülerinnen und Schüler in den Klassenstufen 1 – 12 plus einem Kindergarten. Sie werden unterrichtet von ca. 34 Lehreinnen und Lehrern. Entsprechend der Bedarfe sind die Klassenräume sehr unterschiedlich groß und je nach Fach unterschiedlich ausgerüstet. Es gibt sogar einen eigenen Sanitätsraum mit einer eigens angestellten Schul-Krankenschwester, der ca. 40 verschiedene Präparate zur Behandlung von Fieber, Durchfall, Sodbrennen und natürlich allerlei Wundbehandlung zur Verfügung stehen. Auch für den Kindergarten gibt es eine eigens angestellte Betreuerin.

Der Eingang der Schule und der Schulhof

Großer Klassenraum, Kindergarten und Computerraum

Der Schuldirektor Lekhanath Katel (m) und Subash Shirish (l), unser Kontaktmann mit großem Organisationstalent.
Durchführung des Programms
Um 11 Uhr sollte es heute losgehen, doch als wir gegen 10:30 Uhr ankommen, ist noch gar nichts vorbereitet, In der Nacht hatte es stark geregnet, der untere Schulhof, den wir am Vortag eigentlich für die Veranstaltung vorgesehen hatten, stand unter Wasser. Da das Wetter mehr als unsicher war, wollten wir zunächst in den goßen Klassenraum ziehen, aber der war für die große Zuhörerschaft viel zu klein, zudem war die Zeit nun schon so weit voran geschritten, dass keine Zeit mehr für zwei Schulungen war.

Also mussten nun alle mit anpacken, um schnellstens Tische und Bänke aufzustellen sowie Mikrofon und Lautsprecher einzurichten.

Jetzt könnte es langsam losgehen, Vorfreude und Neugier sind groß, ein paar Schülerinnen und Schüler wollen sich immer wieder mit den außergewöhnlichen Gästen fotografieren lassen. Auch die viel zu jungen Zaungäste sind neugierig
Die Sanitary Pads und die Aufklärungsbücher sind neben dem Rednerpult gestapelt, die Schülerinnen und Schüler haben Platz genommen.
 Aber vorher müssen natürlich noch ein paar Reden gehalten werden, zuerst der Schuldirektor, dann Subash Bhandari, der alles Schulinterne geregelt hat (r), eine Lehrerin (m) und die Dorfkrankenschwester (l).
 
Als Dankeschön und Willkommensgruß gibt es noch eine Tanz-Einstudierung von jungen Schülerinnen für uns.

Jetzt beginnen Sahin und Amina zunächst mit ein bisschen Aufklärungsunterricht, inzwischen ist es 13:00 Uhr geworden.

Dann geht es weiter mit der Gebrauchsanweisung der Sanitary Pads, was enthalten ist und wie man sie benutzt.
 
Die Aufmerksamkeit ist hoch, aber die heiße, feuchte Luft macht Viele müde.

Aber als Sahin von ihrer eigenern Geschichte, ihre Angst und Scham bei den ersten Monatsblutungen erzählt, sind alle wieder voll dabei.
 
Und das Team hat noch einen Muntermacher parat: In dem Hygienest ist auch ein Stück Seife enthalten und nun wird demonstriert, wie man sich richtig die Hände wäscht. Alle müssen mitmachen, es wird ein Riesenspaß.
 
Jetzt müssen alle zeigen, dass sie die Gebrauchsanweisung verstanden haben, Schülerinnen und Schüler paarweise, die Lehrerinnen und Lehrer allein auf weiter Flur.
 
Und auch dem Schuldirektor wird kein Pardon eingeräumt, er bewältigt die pikante Aufgabe mit Humor und wahrer Noblesse.
 
Nach bestandener "Prüfung" bekommen die Mädchen und Frauen die Hygienesets ausgehändigt, wofür sie erst einmal "brav" anstehen müssen, die Disziplin ist erstaunlich.
 
Schließlich halten alle ihr Hygieneset in den Händen und posieren für ein Abschlussfoto
 
Auch die Teams von Local Womens Handicrafts und der Shree Kedar Secondary School sowie ich selbst als Vertreter von Goethe hilft mit e.V. posieren dann auch nochmal
 
Nach getaner Arbeit werden wir noch einmal zu einem schönen Aussichtspunkt gefahren. Die beiden Ladies Sahin und Amina wirken sichtlich entspannt.
Ausblick
Auf dem Weg zu diesem Aussichstpunkt besichtigen wir noch eine kleine Weberei. Sahin tritt sofort mit der Betreiberin in Verhandlung, ob und zu welchen Konditionen die Hygienesets auch hier gefertigt werden könnten, eine schöne Zukunftsperspektive, um die Verbreitung dieses gesundheitsfördernden und umweltschonenden Produktes voran zu treiben.
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